Adonia Verlag: Vom Weltbild der Rhetorik, vom Buchdruck und von der Erfindung des Subjekts - Wasser, Harald - Velbrück

Vom Weltbild der Rhetorik, vom Buchdruck und von der Erfindung des Subjekts

Ein medientheoretischer Essay zum sozialen Wandel
Velbrück
ISBN 9783942393249
296 Seiten, Gebunden/Hardcover
CHF 33.65
Wird für Sie besorgt
'War nicht vielleicht die Rhetorik auf dem richtigen

Wege gewesen mit der Vermutung, dass es um Provokationen,

um Denkanstöße, um Anregungen zur Prüfung

unkonventioneller Annahmen, kurz: um Unwahrscheinlichkeit

gehe?'



Niklas Luhmann



So, wie der Buchdruck den Schlüssel zur Neuzeit und zur

Moderne darstellt, so bildet die Rhetorik den Schlüssel

zu einem Verständnis der Antike und des Mittelalters.

Aber erst die Beobachtung der Kollision von Rhetorik

und Buchdruck lässt uns die Übergänge verstehen: Den

Untergang der Rhetorik, das Aufkommen der Subjektphilosophie

sowie den mit all dem einhergehenden

sozialen Wandel, der uns über die Neuzeit in Richtung

Moderne geführt hat.



Schließlich hatte die Rhetorik vor der Erfindung des

Buchdrucks keineswegs lediglich als eine >nützliche

Redekunst< fungiert, auch wenn dieser Eindruck sich

schon deswegen bis heute aufdrängt, weil die Rhetorik

sich selbst gerne als >Kunst der Überredung< beschrieb.

Wenn wir stattdessen die Rhetorik weit angemessener

als eine höchst wirkmächtige Ordnungsform des

Mündlichen einstufen, so werden wir in ihr ein Medium

erblicken können, dem der Buchdruck mit der von ihm

angetriebenen Umstellung auf Schriftlichkeit förmlich

seine Voraussetzungen entziehen musste.



Aber schon, wenn wir die Funktionsweisen von Buchdruck

und Rhetorik in einen unmittelbaren Vergleich

setzen, wird sichtbar, warum beide nicht in friedlicher

Eintracht zu koexistieren vermochten. Schließlich

hingen von ihren Funktionsweisen viele >soziale Präferenzbildungen<

ab, so dass das >Weltbild der Rhetorik<

und jenes des Gutenbergzeitalters in Gegensatz geraten

mussten: Hatte das Mündliche und mit ihm die Rhetorik

in ihren Ursachen leicht erklärbare Präferenzen in

Richtung auf Flüchtigkeit, Sinnlichkeit, Wahrscheinlichkeit

und Äußerlichkeit entwickelt, so musste der

Buchdruck bzw. die mit diesem rasch um sich greifende

>schreibendlesende Kommunikation< zu einer nicht

mehr steigerungsfähigen Fixierung auf Statik und Innerlichkeit

führen. Nicht zufällig hatte das Mündliche

die >leiblich-sinnlichen Zusammenhänge< (Trieb, Lust,

Sinnlichkeit, Leidenschaft und darum: die Schönheit)

betont, und ebenso wenig zufällig war es in der >Gutenberggalaxis<

zu einer Fixierung des (lesenden und schreibenden)

Bewusstseins und in der Folge des Inneren als

eines die Perspektive bestimmenden Zentrums (Zentralperspektive)

gekommen. Eben darum rückte dieser

>innere Ausgangspunkt< mit einem Mal als >Selbst<, als

>Ich<, als >cogito< ins Zentrum der Aufmerksamkeit, um

sich in Form einer Subjektphilosophie als eine in Alternative

zur Rhetorik stehende Folie des Sozialen anbieten

zu können.



Zudem stand die mit dem Lesen zwangsläufig aufkommende,

eher >meditative kommunikative Grundhaltung<

im krassesten Gegensatz zu den Eigenarten >multimedialer

mündlicher Kommunikation<: Während der Leser

die >Reize der Außenwelt< förmlich >abzuschalten< neigte,

um sich völlig auf die sinnlich ganz reizlosen >Buchstabenreihen<

konzentrieren zu können, ließ der Hörer

genüsslich seine Blicke schweifen. Printkommunikation

bot schon darum keinerlei nennenswerte Möglichkeiten

mehr für >Rhetorik<. Die seinerzeit in breiten Kreisen

aufgekommene Überzeugung, die >neue Zeit< gleiche einer

Renaissance der von Rhetorik dominierten Antike,

müssen wir darum als eine von strukturfunktionaler Latenz

gedeckte Illusion bezeichnen - auch wenn sich diese

Illusion bis ins letzte Jahrhundert hinein gehalten hatte.



'Vom Weltbild der Rhetorik, vom Buchdruck und von

der Erfindung des Subjekts' versucht sich an der medientheoretischen

Rekonstruktion einer weit mehr als

2000 Jahre währenden Geschichte. Dabei wird nicht so

sehr die Rhetorik aus dem heraus verstanden und interpretiert,

was wir über die Antike und das Mittelalter

bereits zu wissen meinen, sondern es wird umgekehrt

versucht, das Geschehen im Mittel
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