Vom Füllen der Leere


ISBN 9783901618833
560 Seiten, Gebunden/Hardcover
CHF 100.80
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Aber auch Klimaanlagen, gekühlte Speisen und Getränke und das Verbringen von immer mehr Zeit in geschlossen Räumen, haben unser Leben in den letzten 50 Jahren kälter gemacht.

Doch Leben ist Wärme, ob durch Sonnenlicht oder warme Nahrung oder menschliche Wärme. Durch Kälte entstehen daher immer mehr Erkrankungen, die mit konventioneller Therapie nicht zu behandeln sind. Die Chinesische Medizin, insbesondere die Feuerschule (Huo Shen Pai) bietet hier die bislang einzige jahrhundertelang bewährte Lösung zu diesem Problem, das Lebensfeuer im Nieren-Yang zu retten, und insbesondere schwierige Rezidive und therapieresistente Erkrankungen erfolgreich zu behandeln.

Gunter Neeb zeigt wie es geht - mit den Erfahrungen der Alten und den Erkenntnissen der Modernen, in Theorie und Praxis.



Vorwort des Autors

Warum überhaupt Feuerschule ?

Oder:



Was sich nach 35 Jahren Chinesischer Medizin für mich verändert hat

Nachdem ich nun selbst alle fünf Wandlungsphasen der alten Chinesischen Zeitrechnung in allen 12 Jahren, dem hierzulande als Tierkreiszeichen bekannten Zwölferzyklus beendet habe, mein graues Haar endlich weiß geworden ist, habe ich zum Glück das Alter erreicht, in welchem ich mir einen Bart wachsen lassen darf.

Auch die Chinesische Medizin ist mir in den 35 Jahren seit meiner ersten Begegnung sehr vertraut, so daß ich nun meinen chinesischen Spitznamen Lao Nei nun auch zu recht tragen darf.



Seit fast 10 Jahren habe ich kein Buch mehr geschrieben und auch meine Aufsätze und Vorlesungen habe ich für mehr Zeit in der Familie aufgegeben. Dennoch werde ich immer wieder nach diesem Buch gefragt, und gedrängt, es doch endlich zu schreiben. Da die Feuerschule insbesondere für die Behandlung schwieriger Fälle geeignet ist, ist der potentielle Leser dieses Buches in seinem Wissen entweder bereits fortgeschritten oder ein sehr interessierter Anfänger. Dennoch wird man im Studium der chinesischen Medizin irgendwann an den Punkt kommen, wo dieses zusätzliche Wissen weiterhilft.

Ein Wort der Warnung: Die Ärzte der Feuerschule, deren Bücher und Aufsätze von mir hier zum ersten Mal übersetzt wurden, haben sich ausführlich mit den philosophischen Grundlagen der Medizin Chinas beschäftigt. Dazu gehören das Shang Han Lun und Jin Gui Yao Lüe ebenso wie das Yijing, das Buch der Wandlungen und daoistischen Autoren des ersten Jahrtausends wie Tao Hong-Jing. Man muß das nicht zwangläufig kennen, um einen kranken Menschen zu behandeln, aber es ist spannend zu lesen, wie gut uralte Erfahrungen mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen passen.



Ich habe daher meine Übersetzungen aus dem Chinesischen, meine Skripte und Aufsätze zu diesem Thema zusammengefasst und erweitert.

Dem einen wird daher einiges bekannt vorkommen und hoffentlich als Erinnerung aufgefrischt werden, dem anderen hoffentlich vieles neu und umso mehr eine Bereicherung sein.

Ich hoffe daher, daß sowohl Erinnerungen als auch Bereicherungen zur Freude am Lesen. Zum Einstieg daher mein 2010 in Australien veröffentlichter Aufsatz über meine Erfahrung von 30 Jahren.



Wandel

Jian Shan Shi Shan (Man sieht einen Berg - und es ist ein Berg)

Jian Shan Bu Shi Shan (Man sieht einen Berg - und es ist kein Berg)

Jian Shan You Shi Shan ( Man sieht einen Berg - und es ist wieder ein Berg)

altes Sprichwort aus dem Chan-Buddhismus



Der Berg

Als vor einigen Jahrhunderten die Reisenden aus dem Westen die Kunde vom Reich der Mitte mitbrachten, regte es die Fantasie der Künstler und Gelehrten an und es entstanden Malerei und Porzellanbilder mit dem China, wie man es sich damals vorstellte: Chinesen alle mit mandelförmigen Augen, Zopf und flachem, runden Bauernhut, Drachen die durch die Lüfte segelten, Schriftrollen mit unverständlichen Krakeln, und viel Bambus. Diese, der Wahrheit nur entfernt entsprechende Menagerie nannte man später Chinoisie, von China und Phantasie.



Als ich zum ersten Mal die Philosophen Lao-Zi und Zhuang-Zi las, muß ich wohl 16 gewesen sein. Erst die Übersetzung von Wilhelm in deutsch, dann von Blofeld in Englisch und schließlich von Granet in Französisch. Je mehr ich laß, desto mehr Abweichungen entdeckte ich und als typischer Westler dachte ich, es könne ja nur eine Version die Richtige sein. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis ich sie im Original lesen konnte und erfuhr, daß sie - Pluralistisch wie die Chinesen selbst - alle nicht falsch waren, ebenso wie meine Idee davon.

Mit ähnlichen, vielleicht etwas naiven Vorstellungen ging ich 1988 nach Taiwan, hatte inzwischen Übersetzungen des Huang Di Nei Jing 1 und verschiedene Versionen des Buches der Wandlungen (Yi-Jing) gelesen, und in und nach meinem Studium etwas Akupunktur gelernt, ja sogar von Porkerts Klinischer Chinesischer Pharmakologie 1978 angeregt, selbst eine Feldstudie über die Erhältlichkeit von Chinesischen Arzneien und deren eventuellen Austauschbarkeit mit westlichen Pflanzen gemacht.



So kam ich in Taiwan an und ich sah den Berg. Wie erwartet war es ein Berg. Taiwan hatte noch viel von der alten Tradition bewahrt, die für mich die Chinesische Kultur und deren Medizin auf dem Papier ausgemacht hatte. Ich lernte Teezermonien, Qi-Gong bei meinem taoistischen Meister, zu dessen Schüler ich wie vor Jahrhunderten mit Kotau (Ke-Tou) und Räucherstäbchen um Einweihung bat, lernte Akupunkur bei einem gedudigen Lehrer, studierte an der Uni alte chinesische Sprache und Literatur einschließlich des Dao-De-Jing des alten Lao-Zi. Ich sah noch Zeremonien einer Triade für den Gott der Unterwelt, lernte Gelehrte kennen mit langem Bart und Chang-Pao kennen, die sich zum Go-Brettspiel (eingentlich Wei-Qi) trafen und trotz der Umweltverschmutzung und Raufereien im Parlament, trotz Kaffeshops und Hi-Tec lernte ich ein China kennen, das meinem Bild zuvor zu entsprechen schien. Die Mehrheit der Jungen interessierten die Kungfu-Movies zwar mehr, aber es gab noch viele alte Meister, die Wu-Shu Techniken wirklich beherrschten und lehrten.



Ein Höhepunkt war ein langes Gespräch mit dem Nestor der Chinesischen Medizin in Taiwan, Chen Li-Fu, der noch mit Chiang Kai-Shek (Jiang Jie-shi) aus dem Festland herübergekommen war und dafür gesorgt hatte, das die traditionelle Medizin trotz des westlich-orientierten Kurses der Regierung nicht ganz unterging indem er das China Medical College of Chinese Medicine in Taizhong und die Yi-Jing Research Society in Taibei gründete und förderte.

Meine Wichtigste Frage an ihn war, von welcher Seite ich das Studium der chinesischen Medizin am Besten angehen sollte, und er riet mir in der ganz frühen Philosophie anzufangen: Mit dem Yi-Jing und dem Nei-Jing und dem Shang Han Lun.

Ich begann also eifrig und war bald wieder etwas entmutigt, entzog sich mir in der Praxis die Anwendbarkeit der philosophischen Bücher in ihrer Mehrdeutigkeit. Alles konnte so rum, aber auch wieder ganz anders ausgelegt werden. Mir fehlte frustrierenderweise die Erfahrung, nämlich zu wissen wann ich welche Interpretation zu verwenden hatte. Akupunktur und Qi-Gong funktionierten auch ohne die philosophischen Hintergründe ganz gut, aber die Tiefen der Arzneimitteltherapie, die in Taiwan größtenteils nach dem 6-Schichten-Modell des Shang Han gemacht wurden, entzogen sich mir.



Der NichtBerg

Im Jahre 1994 begann ich schließlich das regelrechte Universitätsstudium auf dem Festland und war ganz froh, plötzlich alles geordnet und logisch, für den akademischen Anspruch aufbereitet vorzufinden. Die Pharmakologie der Arzneien erklärte einiges, wenn auch nicht alles, die Experimente und Forschungen an Mensch und Tier, an denen ich selber Teil hatte, überzeugten mich, das es nichts Mystisches an den Arzneien gab, was nicht auch wissenschaftlich erforscht

werden könnte. Ich mußte zwar im Studium auch die vier Klassiker (Nei Jing, Shang Han, Jin Gui und Wen Bing) lernen, aber erfuhr in der Praxis, daß die meisten Ärzte, umso weniger auf die alten Bücher gaben, je jünger sie waren. Der Frust mit den praktischen Interpretationsm...
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