Paratext und Publikum
Frank Wedekind schreibt Rezeptionsgeschichte, Wedekind-Lektüren 8
Königshausen Neumann
ISBN 9783826086526
220 Seiten, Taschenbuch/Paperback
Frank Wedekind wusste, wie es um sein Autorbild bei den Zeitgenossen
bestellt war: In einem Notizbuch sammelte er im Jahr 1909
Schimpfworte, Auszüge aus Rezensionen des Berliner Tageblatts.
Doch er registrierte nicht nur im Stillen, wie die Tagespresse seine
Autorschaft und sein Werk aufnahm. Er setzte sich seit Jahren aktiv
mit der Rezeption auseinander: Nachdem schon seine frühen Gedichte
wirkungsbezogenen Fragen nachgegangen waren, adressierten bald
Paratexte explizit und öffentlichkeitswirksam das Publikum. Dieses
Publikum blätterte im Kaffeehaus durch die Zeitung, las in den eigenen
vier Wänden ein Buch, saß dicht gedrängt im Theater. Und begegnete
dabei in unterschiedlichen Rezeptionsmodi einem Autor, der
in Texten, Abbildungen und Auftritten paratextuell kommunizierte,
um die eigene Rezeptionsgeschichte mitzugestalten sowie den literarischen
Betrieb und die staatliche Zensur kritisch zu kommentieren.
Wedekind forderte dabei die Verantwortung des Publikums ein: weg
vom passiv kulturkonsumierenden Zuschauer, hin zum mündigen
Rezipienten, der die Produktions- und Rezeptionsbedingungen von
Literatur kennt. Zugleich aber musste der Autor in einer sich ausweitenden
Mediengesellschaft die Grenzen auktorialer Lenkung und die
Macht anderer Akteure im literarischen Feld eingestehen.