Ein 'Montageapologet'?


ISBN 9783640904334
40 Seiten, Taschenbuch/Paperback
CHF 22.95
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Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Film und Fernsehen, Note: 1,0, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Veranstaltung: Hauptseminar "Klassiker der Filmphilosophie", Sprache: Deutsch, Abstract: Im Juni 1926 tritt der angesehene ungarische Filmkritiker und -theoretiker Béla Balázs vor das Publikum, das sich im Klub der Kameraleute Deutschlands versammelt hat, und hält den Vortrag Filmtradition und Filmzukunft. Eine Passage der Rede, später selbstständig unter dem Titel Produktive und reproduktive Filmkunst verbreitet, diskutiert u. a. zwei wunderbare[] Aufnahmen aus dem PANZERKREUZER POTEMKIN, dem gerade in Deutschland in den Kinos laufenden großen Film des sowjetischen Regisseurs Sergej Eisenstein. Balázs konnte wohl kaum die auf dem Fuße folgende heftige Reaktion Eisensteins voraussehen, in der dieser dem gebürtigen Ungarn bildlich vorwarf, die Schere vergessen zu haben. Der Disput, den Loewy immerhin als legendären Streit bezeichnet, wirkt auf den ersten Blick wie eine randständige Anekdote. Eine kleine Auseinandersetzung, die durch ihre prominenten Akteure in Erinnerung geblieben ist, zumal sie nur aus zwei relativ kurzen Texten besteht. Doch würde man die Angelegenheit damit zu leitfertig abtun. Allein die Tatsache, dass die Kontroverse über Jahrzehnte hinweg immer wieder das Interesse geweckt hat, lässt doch die Frage aufkommen, ob mehr dahinter steckt.

Wie Diederichs meint, kann die Entwicklung der ersten 40 Jahre filmästhetischer Theorie in vier Stufen unterteilt werden: die der Diskussion der Kunstfähigkeit des Films, der Schauspielertheorie, der Kameratheorie und der Entwickelte[n] Formtheorie. Dabei gilt ihm Balázs Buch Der sichtbare Mensch als das Haupt- und Abschlusswerk der Schauspielertheorie, das Balázs-Werk Der Geist des Films als Werk der dritten Stufe, der Kameratheorie, in dem Balázs selbst zum Montageapologeten geworden sei und gleichzeitig die Montagetheorie Eisensteins, die praktische Umsetzung der intellektuellen Montage als Hieroglyphenfilme und Bilderrätsel, kritisiere.

Man kann die Ereignisse des Jahres 1926 somit auch als Auseinandersetzung um die Deutungshoheit in der Filmtheorie interpretieren, als einen Schritt in Balázs Entwicklung von der Schauspieler- zur Kameratheorie. Hat Balázs also unter dem Einfluss Eisensteins seine Bekehrung zur Montage erfahren, deren Extreme im Werk Eisensteins aber gleichzeitig abgelehnt? Wie stark mischen sich dann im zweiten Werk des Exil-Ungarn die eigenen Theorien aus Der sichtbare Mensch mit den Ansichten des Sowjet-Regisseurs?
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