Die Relativierung des 'höchsten Augenblicks' in Goethes 'Faust 2'


ISBN 9783638652940
28 Seiten, Taschenbuch/Paperback
CHF 22.05
BOD folgt in ca. einer Woche
Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Friedrich-Schiller-Universität Jena (Institut für Literaturwissenschaft), Veranstaltung: Goethe, Faust, Sprache: Deutsch, Abstract: Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,

Verpestet alles schon Errungene

Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,

Das letzte wär das Höchsterrungene;



Diese Worte eröffnen die - literaturwissenschaftlich äußerst kontrovers diskutierte - letzte Rede Fausts vor seinem Ableben, welche, eben weil sie die letzten Ausführungen eines zeitlebens nach Erfahrung, Genuss und letztlich Macht strebenden Gelehrten markiert, besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Als Schlusswort eines Menschheitsdramas, welches heut als das zentrale Werk der deutschen Dichtung gehandelt und zugleich in den Kanon der Weltliteratur eingeordnet wird, scheint ein stark akzentuierendes, ja möglicherweise programmatisches Fazit mehr als plausibel. Doch beanspruchte Goethe mit jenen letzten Worten tatsächlich ein visionäres Zukunftsbild, ja eine Ideologie als realisierbare Gesellschaftstheorie zu erschaffen? Zumindest ist dies eine weit verbreitete Auffassung! Noch heut wird der Schlussmonolog an vielen Schulen Deutschlands als Vision einer künftigen Gesellschaft behandelt. In der DDR beispielsweise wurde der Monolog mehrfach politisch instrumentalisiert und nicht selten als Goethes Prophezeiung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung dargestellt.

Doch kann Fausts letzte Rede unter Berücksichtigung des szenischen Kontextes diesem Anspruch überhaupt gerecht werden, sind die letzten Worte Fausts bei diesen Deutungen überhaupt als Teil des Ganzen beachtet? Wird bei diesen Deutungen nicht vielmehr der Inhalt des Monologes gegen die szenische Darstellung isoliert, die Rede quasi separat, inhaltlich autark und somit inadäquat gedeutet? Neue Literaturwissenschaftler gehen jedenfalls von letzterem aus. Demgemäß ist ein komplett neues, alten Deutungen oft gänzlich entgegengesetztes Bild des fünften Aktes geschaffen. Auch wenn dieses neuartige Verständnis die öffentliche, populärwissenschaftliche Leserschaft bisher nur sporadisch berührt, so ist es doch in Fachkreisen heute nahezu etabliert.

Unter der zentralen Fragestellung: Inwiefern kann das Erfahrungs-, Genuss- und später auch Machtstreben Fausts die im Schlussmonolog angedeutete Sättigung erfahren?, wird Fausts Entwicklung durch die Analyse seines stetig anwachsenden Machthungers im fünften Akt dargestellt. Dabei wird aufgezeigt, dass Goethe die Figur Faust bewusst als amoralischen Wert konstituiert und somit die Gültigkeit des im Endmonolog inhaltlich Dargestellten mittels grotesker Verzerrung weitgehend relativiert.
ZUM ANFANG