Die Achtung vor dem Anderen


ISBN 9783934730861
432 Seiten, Gebunden/Hardcover
Titel fehlt vorübergehend
Lohnt es sich, die Psychoanalyse immer noch ernstzunehmen? Sie hat ohne Frage an Achtung und Einfluss eingebüßt. Ihr Bedeutungsverlust aber ist Symptom; sie ist 'veraltet', weil ihr implizites Menschenbild im Widerspruch zum Zeitgeist steht, gerade dort, wo sie auf Individualität beharrt und Lebensgeschichten als einzig und unverwechselbar betrachtet, auch in einer rückhaltlos globalisierten Welt. Zugleich ist die Psychoanalyse aber ausgesprochen modern, weil sie die Vernetzung mit anderen Wissenschaften herausfordert und so von der Interdisziplinarität lebt. Hier setzt das vorliegende Buch an.

Das Buch erkundet Netzwerke zwischen der Psychoanalyse und den Kulturwissenschaften. Es untersucht den Wert, den die Psychoanalyse für andere Wissenschaften haben kann, und lotet den Erkenntnisgewinn aus, den der Dialog mit der Philosophie, den Gesellschaftswissenschaften und den interpretierenden Kulturwissenschaften für die Psychoanalyse selbst bringt.

Die einzelnen Beiträge befassen sich u. a. mit dem Erinnerungsprozess, dem Zeitbewusstsein, mit der Dynamik seelischer Strukturen, sie widmen sich der Sinnlichkeit des Körpererlebens, aber auch gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Wandel der Familienstrukturen und den neuen Formen politischer Gewalt, sie bearbeiten Werke der Kunst, der Literatur und des Films und kehren schließlich mit gewandeltem Blick zu klinisch-psychoanalytischen Konzepten zurück.

Alle Beiträge können für sich gelesen werden. Doch in allen sind zwei Grundfragen gegenwärtig: die Frage nach den Voraussetzungen seelischer Repräsentation, also des Denkens, und die Frage nach der Anerkennung des Anderen als Anderen. Das Buch ist getragen von der Überzeugung, dass die Achtung vor dem Anderen und die Entwicklung des eigenen Denkens zusammengehören. Die Fremdheit des Nächsten zu akzeptieren gelingt nur, wenn Erfahrungen der Trennung und des Mangels verarbeitet sind. Deren Integration führt zur Symbolbildung, zum Denken. Die Entwicklung der mentalen Repräsentation ist so mit der Entwicklung des interpersonalen Verhältnisses verbunden. Dort, wo der Andere fremd wird, ohne verloren zu gehen, entsteht ein seelischer Innenraum.
ZUM ANFANG