Deutsch-britischer Kulturtransfer im Vormärz


ISBN 9783849819590
326 Seiten, Taschenbuch/Paperback
CHF 50.30
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Auch wenn die Rezeption deutscher Literatur im Vereinigten Königreich

stark regional differenziert war und sich teilweise in den Universitätsstädten

Cambridge und Oxford sowie in kleineren Städten (wie Norwich und

Coventry, den Heimatsstädten von Sarah Austin bzw. George Eliot) oder in

den Provinzen (Lake District) abspielte, so durften wir dennoch anmerken,

dass drei Zentren eine besondere Rolle bei der Vermittlung deutscher Literatur

nach Großbritannien spielten. Es waren Städte, die als Hauptstädte der

Teilkönigreiche des Vereinigten Königreichs jeweils eine eigenständige kulturelle

und politische Identität besaßen: London, Edinburgh und Dublin.

Der Rezeptionszusammenhang in Edinburgh wird in den Beiträgen von

Bodammer und mir ausfuhrlich dargelegt.

Abschließend sei auf vier Faktoren

hingewiesen, die London, Edinburgh und Dublin zu besonders wirkmächtigen

Umschlagplätzen fur deutsche Literatur im Vormärz machten:



1. In diesen Städten hatten zahlreiche Verlage ihren Sitz, die teils um die

Gunst ihrer eigenen gebildeten und wohlhabenden städtischen Leserschaft

konkurrierten, teils aber auch kollaborierten. Die Verlage strebten eine uberregionale

Verbreitung ihrer Publikationen uber die Stadtgrenzen hinaus im

ganzen Vereinigten Königreich an. Zu diesen Verlagen gehörten auch international

ausgerichtete Häuser, die Übersetzer:innen beschäftigten. In diesen

Städten wurden aufgrund der historisch-kulturellen Unterschiede bei der

Rezeption deutscher Literatur leicht verschiedene Akzente gesetzt.

2. Diese Städte verfugten uber ein differenziertes Presse- und Zeitschriftenwesen,

das ihre kosmRezensionen interessanter Werke aus dem Ausland belieferte. Diese Rezensionsorgane

wurden von den bereits erwähnten Verlagshäusern betrieben.

3. In diesen Städten befanden sich Universitäten, an denen Deutsch als

moderne Fremdsprache und als Wissenschaftssprache gefördert und gepflegt

wurde, an denen philologische und andere wissenschaftliche Werke in deutscher

Sprache rezipiert und in Lehre und Forschung eingesetzt wurden. Diese

Universitäten waren mit den Verlagshäusern und Zeitschriften vernetzt, die

sie mit Übersetzer:innen und Kritiker:innen versorgten.

4. Die Rivalität dieser drei Zentren untereinander sowie mit den Universitätsstädten

Cambridge und Oxford bei der Rezeption deutscher Literatur

war ein treibender Faktor im Literaturtransfer. Diese Konkurrenzgedanken

beseelen z. B. John Stuart Blackies 1852 in Edinburgh gehaltene Inauguralvorlesung,

in der er fur die Edinburgher Universität einen beklagenswerten

Ruckstand gegenuber Cambridge und Oxford auf dem Gebiet klassischer

Philologie konstatiert und seine Zeitgenossen zu einer energischeren und

intensiveren Auseinandersetzung mit den Erzeugnissen deutscher Wissenschaft

anzufeuern sucht:



So may we, Greek starvlings here on the Firth of Forth, yet get the start of

those sleek Hellenists on the banks of Cam and Isis, if we only rouse our mettle

properly and do our best. And, if we cannot do altogether without help in

our philological struggle, we are as near the GERMAN ocean as they are, and

know where to fill our buckets. Let us begin by learning all we can from our

Teutonic brethren, as the recognized high priests of philology at the present

hour.
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